Biografie

„Wenn mich mein Sohn nach einem neuen Stück fragt für eine Ausstellung oder einen Kunden, dann fühle ich mich wie ein Löwe: ein Kraftbolzen mit vielen neuen Ideen im Kopf und das Glas verwandelt sich wie von selbst in meinen Händen in eine Figur, ein Muster oder eine Vase,” schrieb er 1995 in einem Brief.

Rund 65 Jahre bereicherte Archimede Seguso mit seinen dekorativen Figuren und Gefäßen den Muraneser Glasmarkt. Er stammte er aus einer der ältesten Glasmacherfamilien, deren Aktivitäten sich bis ins 14. Jahrhundert zurückverfolgen lassen. Archimede Seguso gehörte nicht zur Riege von an der Universität ausgebildeten Architekten und Designern, die seit den dreißiger Jahren den Muraneser Firmen Entwürfe lieferten. Bereits als Vierzehnjähriger trat er in die für ihre Murrine-Gläser renommierte Firma Vetreria Artistica Barovier & C. ein und machte bis 1929 eine Ausbildung als Glasmacher unter der Ägide seines Vaters Antonio, der Anteile an der Firma besaß, und des Meisters Napoleone Barovier. Infolge der Weltwirtschaftskrise wurde er jedoch wie viele andere 1929 entlassen. Gemeinsam mit seinem Vater und seinem Bruder Ernesto gründete er eine kleine Glasbläserei am Campo del Cimitero zur Fertigung von historisierenden Modellen und Lampenschirmen. Nebenbei schuf Archimede Seguso aus der heißen Glasmasse weich modellierte, gleichsam fließende Frauenfiguren aus Klarglas mit einer korrodierten Oberfläche und charmante Tierfiguren wie Bären, Elefanten, Esel, Eulen, Pferde, Katzen, Vögel und sein berühmtes Flusspferd, was ihm in Murano den Spitznamen „Meister der Tiere” einbrachte. Renommierte künstlerische Leiter wie Vittorio Zecchin und ab 1934 Flavio Poli machten die junge Firma international bekannt, die ab 1937, nun ansässig an der 138 Fondamenta Vetrai, unter Seguso Vetri d’Arte firmierte. Als einer der ausführenden Meisterbläser von Polis spektakulären Sommerso-Gläsern nahm Archimede Seguso 1936 an der Biennale von Venedig teil. In Zusammenarbeit mit Poli entstand auch ein großes Glasrelief mit Darstellungen der Sternzeichen namens I Segni dello Zodiaco, das heute verschollen ist.

Charakteristisch für Archimede Segusos eigene Entwürfe Ende der dreißiger Jahre sind einfache Dekore aus farbigen diagonal verlaufenden Bändern und Streifen oder massiv wirkende Vasen in aufgeschäumtem Pulegoso- Glas. Durch die Gründung der eigenen Firma Vetreria Archimede Seguso nach dem Zweiten Weltkrieg katapultierte sich Seguso in den Olymp der Glasdesigner. Seine Merletto-Vasen gehören zu den Höhepunkten der Muraneser Glaskunst. Auch mit den nachfolgenden Serien Spirale, Piume, Latticinio und seinen Figuren erzielte Archimede Seguso große Erfolge. Die Zusammenarbeit mit anderen Künstlern erweiterte das Spektrum der kleinen Firma. Mit Riccardo Licata schuf Seguso eine kleine Serie von farblosen Vasen mit eingeschmolzenen Farbringen. Giuseppe Santomaso entwarf ganz im Geiste des organischen Designs amöbenartig geformte Türgriffe in knalligen Farben. Außerdem konnte er den amerikanischen Superstar des Interior-Designs und ehemaligen künstlerischen Leiter bei Tiffany in New York Van Day Truex in den sechziger Jahren für ein Gastspiel in seiner Firma gewinnen. Der 1999 verstorbene Archimede Seguso wiederholte sich nie, sondern reagierte mit seinen Entwürfen auf die wechselnden Strömungen in Kunst und Design wie seine Serie Aleante von 1966 in den leuchtenden Orangetönen der sechziger Jahre zeigt. Durch den Eintritt seiner Söhne Gino und Giampaolo und die Mitarbeit seines Bruders und seines Enkels Antonio wurde die Firma wie viele Muraneser Betriebe zum Familienunternehmen.


Objekte von Archimede Seguso