Los: 131

Bansi Lal, indischer Künstler und Koch des 20. Jahrhunderts (nach)
Le Corbusier gewidmeter Gobelin 'To Mr L-C‘, späte 1950er Jahre

98,5 x 222,0 cm. Gobelin, Wolle auf Baumwollkette. Wolle mit Naturfarben bemalt und gefärbt. Im Zentrum gewidmet "To Mr L-C", am linken Teppichrand bezeichnet Chandigarh, Punjab (in Sanskrit), am unteren Teppichrand in phonetischer Übertragung in die englische Sprache "CHANDICARH" für Chandigarh und bezeichnet "BANSI LAL" (gewebt) für den Urheber der zeichnerischen Vorlage. Am oberen Teppichrand eine weitere Inschrift in Hindi.


Chandigarh ist die Haupstadt der beiden indischen Bundesstaaten Punjab und Haryana. Die in der Architekturgeschichte berühmte Planstadt Chandigarh wurde im Anschluss an die Teilung Indiens nach Plänen Le Corbusiers in der Zeit von 1951-1962 als neue Hauptstadt errichtet. Am 19.12.1950 unterzeichnete Le Corbusier den Vertrag für den Entwurf einer neuen Hauptstadt, nachdem er ein entsprechendes europäisches Team zusammengestellt hatte, dem auch sein Vetter und langjähriger Mitarbeiter Pierre Jeanneret angehörte. Le Corbusier wurde zum "Architect Advisor" ernannt und mit dem Masterplan und dem Entwurf des Regierungsviertels von Chandigarh betraut. Er selbst konzentrierte sich bei der Realisierung ganz auf die "Synthèse des Arts", auf das Zusammenwirken aller Künste, der Architektur und Skulptur, der kunstgewerblichen Ausstattung und Möblierung. Le Corbusier selbst entwarf keinerlei Möbel für seine Architekturen in Indien, sondern übertrug deren Gestaltung seinem Vetter Pierre Jeanneret. Was Le Corbusier selbst übernahm, war der Entwurf für Wanddekorationen, so auch für die großformatigen Tapisserien der Repräsentationsbauten im Regierungsviertel, die von 1952 bis 1955 erbaut wurden. Seine Tapisserie-Kompositionen folgten polychromen, orthogonal aufgebauten Mustern, die durch zahlreiche Symbole ergänzt wurden. Die Tapisserien sollten eigentlich in der traditionellen indischen Technik des "durrie weaving" in kleinen Manufakturen mit einfachen Webstühlen hergestellt werden. Schließlich mussten sie aber, auch wegen des Termindrucks der kompletten Fertigstellung des Regierungsviertels, von der East India Carpet Company in Amritsar produziert werden, die über die entsprechenden Kapazitäten verfügte. Le Corbusiers Interesse an der Gestaltung der Wandteppiche mag ein Grund dafür sein, dass ihm die für ihn tätigen indischen Bauingenieure, so die Überlieferung im Jahr 1968 durch Albert Jeanneret, zum Abschied diesen sehr persönlichen und individuell gestalteten Gobelin schenkten. Anders als die Ausstattungsexemplare in den Repräsentationsbauten der Planstadt Chandigarh ist dieses Exemplar, so wie Le Corbusier es ursprünglich für alle Tapisserien vorgesehen hatte, auf einem kleinen Webstuhl mit Webkette entstanden.
Der Gobelin geht in der Gestaltung auf eine Zeichnung von Bansi Lal zurück. Bansi Lal war Koch im Haus von Pierre Jeanneret in Chandigahr und zudem ein Künstler, der spontan zeichnete und musizierte. Pierre Jeanneret ließ für sich zwei mehrfarbige Teppiche nach Zeichnungen von Bansi Lal weben, die in der wissenschaftlichen Literatur nachgewiesen sind. Typisch für Bansi Lals Zeichnungen sind Tier- und Blumendarstellungen und Schriftzeichen, lateinische und solche in Sanskrit und Hindi. Neben der Widmung "To Mr L-C" zwischen den Löwenbeinen dieses Gobelins ließen sich auch die Schenkenden selbst zum Andenken auf dem Teppich verewigen. Sie wählten, so Albert Jeanneret, dafür Tiermotive, darunter das Abbild eines Papageis, eines Rebhuhns, eines Skorpions, eines Tigers und für das Zentrum das mächtigste aller wilden Tiere, den Löwen. Jedes Tier stand für die Herkunftsregion eines der schenkenden indischen Ingenieure.


Der historisch bedeutsame Gobelin ging später in den Besitz von Albert Jeanneret über. Dieser wiederum dekorierte mit ihm das mittlerweile von ihm bezogene "Petite Maison", das kleine Häuschen bei Vevey am Genfer See, das Le Corbusier 1923 ursprünglich für seine Mutter gebaut hatte. Der aktuelle Besitzer besuchte Albert Jeanneret 1967 im "Petite Maison" und nahm die Tapisserie dort persönlich als Geschenk entgegen. Seitdem befindet sie sich in einer deutschen Privatsammlung.

Provenienz: Le Corbusier 1950er/frühe 1960er Jahre, folgend Albert Jeanneret; seit 1967 Privatsammlung Nordrhein-Westfalen bis heute.

>> Literatur

Zuschlag: 31.000 €

112A - Highlights
10. Dezember 2013 um

Literatur:

Vgl. Einladungskarte zur Ausstellung Le Corbusier, mobilia, Nürnberg 1967 (mit Abbildung). Le Corbusier - Pierre Jeanneret. L'Aventure Indienne, Paris u. a. O., 2010, S. 264 und S. 286 (Abb. weiterer Teppiche nach Zeichnungen von Bansi Lal im Hause P. Jeanneret).