Die Zsolnays – eine Familiengeschichte

Die Geschichte vom Aufstieg der Zsolnays aus Pécs in Ungarn weist starke Parallelen zur Vita der Familie des etwas jüngeren Emile Gallé (1846-1904) in Lothringen auf. Wie Gallé war Vilmos Sohn eines wohlhabenden Händlers. Ähnlich wie Charles Gallé bekam auch Vater Miklós Zsolnay (1800-1880) die Möglichkeit, das Inventar einer ortsansässige Steingutfabrik aufzukaufen. Der ältere Bruder Ignác (1826-1900) führte die neu entstandene Fabrik von 1854-65.
Der Werdegang des künstlerisch und naturwissenschaftlich interessierten Vilmos (1828-1900) – eine weitere Parallele zum Lothringer Künstler – folgte zunächst den Fußstapfen seines Vaters. Er studierte Betriebswirtschaft am Polytechnikum in Wien und absolvierte eine Lehre in einem Galanteriewarengeschäft. 1853, zurück in Pécs, gelang es ihm, das Geschäft seines Vaters in ein modernes Kaufhaus zu verwandeln, nach dem Vorbild der Pariser Warenhäuser, die kurz zuvor Ihre Pforten geöffnet hatten. Bereits in den Anfangsjahren knüpfte er Kontakte ins westliche Ausland. Dieser Umstand sollte ihm in späteren Jahren einen Vorteil erschaffen. Vilmos investierte vorausschauend mit großem Erfolg auch in branchenfremde Zweige, wie z.B. den Eisenbahnbau, Kohlenproduktion und Holzwirtschaft.

Die Steingutfabrik stand zunächst unter keinem guten Stern. Die ungarische Revolution und die Abspaltung vom Habsburgerreich 1848/49 hatte zu einer Periode der wirtschaftlichen Schwierigkeiten geführt. Fehlende Subventionen und hohe Zollabgaben beeinträchtigten sowohl die Produktion als auch den Absatz des traditionellen Gebrauchsgeschirrs und der technischen Objekte. Elf Jahre lang hielt man sich eher schlecht als recht über Wasser, bis Vilmos 1865 seinen Bruder mit der Übernahme der Fabrik entschulden konnte. Der jüngere Bruder stürzte sich voller Elan auf die neue Aufgabe und bildete sich nun auf dem künstlerischen Gebiet weiter. Seine Sammlung an Keramikmustern aus aller Welt und aus den verschiedensten Jahrhunderten war extensiv. Scherben, Glasuren, Techniken, nichts verschloss sich seinem Wissensdurst. Das Alltagsgeschirr der Fabrik wurde nach und nach mit Luxusartikeln aufgestockt.

Bei der Wahl neuer Mitarbeiter setzte Zsolnay sowohl auf alteingesessene, traditionelle Keramiker, die im typisch ungarischen Stil arbeiteten, wie auch auf Spezialisten aus den anderen keramischen – meist deutschsprachigen – Zentren Westeuropas. Er gliederte der Fabrik auch eine Schule an, um junge Talente selbst ausbilden und an die Fabrik binden zu können. Ebenso wurde seine eigene Familie mit in die Geschäfte eingebunden. Seine Töchter Teréz (1854-1944) und Júlia (1856-1950) wurden zuerst auf Reisen in die ganze Welt geschickt, um Inspirationen für Dekore auf Textilien und Keramiken für die Fabrik zu sammeln. Während sich Teréz nach ihrer Rückkehr vor allem mit dem Sammeln, Katalogisieren und Bewahren der Stücke beschäftigte, arbeitete Júlia ganz selbstverständlich als Entwerferin in der Fabrik mit. Júlia war es auch, die das Fünf-Kirchen-Signet der Fabrik entwickelte, das heute noch in der ganzen Welt bekannt ist.
Der Jüngste, Sohn Miklós (1857-1922) übernahm 1878 den kaufmännischen Teil der Arbeit, während sein Vater sich weiter selbst um die künstlerischen Belange der Fabrik kümmerte.

Auf den Weltausstellungen in Wien 1873 und 1878 in Paris taten sich für Zsolnay weitere Welten auf. Inspiriert von den antiken chinesischen und nahöstlichen Keramiken, die teilweise im Original, teilweise in der Rezeption durch Keramiker aus anderen europäischen Ländern präsentiert wurden, begann er nach seiner Rückkehr zusammen mit dem Chemiker Vince Wartha (1844-1914), sich intensiv mit den ihm neuen Massen und Glasuren auseinander zu setzen.

Zuerst hielt die Scharffeuerglasur Einzug in die ungarische Fabrik. Sie wurde auf der neu entwickelten Porzellanfayence verwendet, während Júlia sich in ihren glasierten Entwürfen von persischen Vorbildern beeinflussen liess. In den Jahren 1887/88 unternahm Vilmos selbst eine Reise in den Nahen Osten. In der ägyptischen Stadt Fustat, dem Zentrum für Keramikproduktion im zehnten und elften Jahrhundert, entdeckte er die Technik, für die die Firma Vilmos Zsolnay bis heute weltberühmt ist: Die Eosinglasur. Nach zahlreichen Versuchen hielt er das Rezept für die metallisch schillernde, antikes Glas nachahmende, Lüstriertechnik 1891 in seinem Rezeptbuch fest. Die ersten Eosinwaren wurden 1896 auf der ungarischen Jahrtausend-Ausstellung in Budapest mit großem Erfolg präsentiert. Unter den Auftraggebern für seine neuen, vom Jugendstil beeinflussten Luxuswaren waren Künstler und Staatsmänner aus ganz Europa, Mitglieder des ungarischen Adels und sogar Kaiser Franz Josef selbst soll der Fabrik in Pécs einen Besuch abgestattet haben.

Nach Vilmos’ Tod 1900 wurde die Fabrik von Miklós und den beiden Töchtern, danach von den Enkeln Tibor, Zsolt und Milos weitergeführt. Nach dem Ersten Weltkrieg verlor die Fabrik nach und nach an Bedeutung, produzierte aber stetig weiter. Nach dem Zweiten Weltkrieg, 1948, wurde die Familie Zsolnay enteignet und die Fabrik ging in staatliche Hand über. Erst seit 1974 wird die Produktion wieder unter dem Name Zsolnay geführt.

In der Kulturhauptstadt Pécs entstand auf dem ehemaligen Gelände der Fabrik 2011 ein Kulturviertel. Ein Museum, Galerien, das rekonstruierte Mausoleum von Vilmos und ein schöner Park mit zahlreichen Restaurants stehen den Besuchern offen.

Auch heute noch erfreuen sich Sammler an den wunderschönen Werken der Fabrik. In den letzten Jahren haben wir bei Quittenbaum mehrere außergewöhnliche Vasen und Schalen mit großem Erfolg verkaufen können.
Ein Cachepot mit emailliertem Wildenten-Dekor stieg 2024 von EUR 1.200 auf EUR 5.000. Kurz zuvor war eine hohe Vase mit sich schlängelndem halb-plastischen Drachen, um 1901, heiß umkämpft worden. Die Vase mit schimmernder dunkelblauer und goldener Eosinglasur, wurde erst nach minutenlangem Gefecht bei einem Aufruf von EUR 4.000 für stolze EUR 54.000 zugeschlagen.

https://www.zsolnay.hu/pages/the-zsolnay-family
https://trespasser-on-earth.org/hungary/zsolnay/
https://www.zsolnaynegyed.hu/de/informationen/uber-das-kulturviertel-zsolnay