Agathon Léonard – Das ‚Jeu de l’Echarpe‘

Der junge Léonard Agathon van Weydeveldt, 1841 in Lille, Belgien, geboren, erhielt seine Ausbildung an der Académie des Beaux-Arts in Lille und an der Ecole des Beaux-Arts in Paris.

Darüber hinaus weiß man, dass er Praktikant bei Jean-Baptiste Carpeaux war und am Bau der ‚Fontaine de l’Observatoire‘ (auch: ‚Fontaine de Quatre Parties du Monde‘), in Paris mitwirkte (1867- 1874). Da er auf Seiten der Franzosen im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 mitgekämpft hatte, erhielt der seit 1867 in Paris lebende Belgier 1887 die französische Staatsbürgerschaft. Von 1879 bis 1914 nahm er regelmäßig an Ausstellungen teil und erhielt diverse Auszeichnungen, so auf der Weltausstellung in Paris 1889 und in Brüssel 1910. Bereits 1894 begann die Zusammenarbeit mit der Porzellanmanufaktur Sèvres. 1897 entstanden die ersten Modelle für den Tafelaufsatz ‚Jeu de l’Echarpe‘, die Fassung in Bisquitporzellan wurde 1900 auf der Weltausstellung in Paris am Stand der Porzellanmanufaktur vorgestellt. Léonard erhielt dafür die Goldmedaille. 1901 nahm die Bronzegießerei Susse Frères mit der Bronzeversion des Jeu de l’Echarpe an der Ausstellung der Société nationale des Beaux-Arts teil. Die drei letzten Figuren des insgesamt 15 Teile umfassenden Tafelaufsatzes wurden 1902 beigefügt. Trotz zahlreicher weiterer Entwürfe von höchster Qualität sollte der Tafelaufsatz Léonards berühmtestes Werk werden. Léonard starb 1923 in Paris.

Agathon Léonard konzipierte sein ‚Jeu de l’Echarpe‘ zunächst als eine Reihe von Wandreliefs, die das Foyer eines Theaters zieren sollten. Der damalige Leiter der Porzellanmanufaktur Sèvres, Alexandre Sandier, sah die Modelle für die anfangs mit zehn Tänzerinnen geplante Wanddekoration 1897 auf der Ausstellung der Société nationale des Beaux-Arts in Paris und war so begeistert, dass er den Künstler sogleich damit beauftragte, seinen Entwurf als mehrteiligen Tafelaufsatz zu realisieren. 1899 wurde der Tafelaufsatz aus Tänzerinnen, Musikerinnen und Fackelträgerinnen mit zwölf Figuren präsentiert und bis 1901 um drei weitere Figuren erweitert. Die mit viel Liebe zum Detail gestalteten Frauenfiguren lassen den Betrachter auch heute noch den Aufbruch in ein neues Lebensgefühl spüren, das sich in den fliessenden, nicht einengenden Kleidern der jungen Damen, ihren freien Bewegungen und der zurückhaltenden Ornamentik ausdrückt. Mehrere berühmte Tänzerinnen kommen als Modell für die Figuren in Frage, darunter Cléo de Mérode und Sarah Bernhardt (1844-1923) sowie die viel porträtierte Loïe Fuller (1862-1928).

Die Gießerei Susse Frères sicherte sich schon 1901 die Rechte an der Bronzeproduktion des Tafelaufsatzes. 1901 wurde die Gruppe im Salon der Société präsentiert. Sie wurde in drei verschiedenen Größen ausgeführt, teilweise auch in Chryselephantin oder versilbert. Bis 1935 soll Susse 100-130 Exemplare der Figuren ausgeführt haben.